Graphic Recording

Wie lässt sich das gesprochene Wort einfangen? Wie kann ich die Emotionen und spontanen Diskussionen einer Veranstaltung festhalten? Wie schaffe ich es, dass ich die Energie einer Veranstaltung konserviere? So, dass sie auch noch Tage danach abrufbar ist? Mit Graphic Recording!

Stell dir ein riesiges Plakat vor, auf dem alle Vorträge einer Veranstaltung zusammengefasst sind. Mit Zeichnungen. Graphic Recorder:innen können die Essenz einer Keynote erfassen und in übersichtliche Wort- & Bild-Geschichten auf einem Blatt abbilden. Das geschieht live, während des Vortrages. Graphic Recorder:innen sind eine Art visuelle Simultanübersetzer:innen.

Graphic Recorderer:innen filtern kontinuierlich durch einen individuellen „Relevanz-Filter“. Relevante Aussagen oder Fakten werden zusammengefasst und dokumentiert. Diese werden durch sprechende visuelle Metaphern oder Symbole ergänzt. Solch ein ergänzendes Symbol verstärkt die Aussagekraft und macht es für das Auge des Betrachters interessant. Das menschliche Gehirn ist für die schnelle Verarbeitung von Bildern gemacht, noch vor der Schrift gab es das Bild (zum Beispiel als Höhlenmalerei oder als Wandbemalung im Alten Ägypten). Das Auge liebt Bilder und sucht auf dem Blatt nach mehr.

Wie wäre es, wenn du die Essenz eines Barcamps oder die Keynotes der Unternehmensveranstaltung im Hosentaschenformat mitnehmen könntest? Das geht. Mach einfach ein Foto vom Graphic Recording mit deinem Smartphone und schaue es dir morgen noch einmal an. Einige Graphic Recorder:innen bieten direkt Ausdrucke ihrer Ergebnisse noch während der Veranstaltung an.

Was wirst du dir nach einer Veranstaltung eher noch mal anschauen: das PDF mit den gezeigten 78 Folien oder eine visuelle Zusammenfassung mit erklärenden Bildern? Was regt mehr dein Gehirn und deine Emotionen an?

Eine gute Symbiose zwischen Vortragendem und Graphic Recorder:in erkennt man daran, dass das visuelle Ergebnis auch die Struktur des Vortrages widerspiegelt. Handelt der Vortrag z.B. von den drei Säulen des Thema x, weiß der/die Graphic Recorder:in, dass drei gleichgewichtige Teile in dem kommenden Vortrag folgen. Somit kann das Blatt entsprechend aufgeteilt werden. Geht es hingegen um die 42 besten Tipps zu Thema y, so kann es sein, dass das Ergebnis eher wie ein „Wimmelbild“ wirkt. In jedem Fall ist das Ergebnis des Graphic Recordings eine übersichtliche Zusammenfassung des gehörten Vortrags und der anschließenden Diskussion.

Die Wahl des Equipments ist denke ich eine Typfrage, beziehungsweise natürlich auch von der Kundenanfrage. Ob du lieber mit dicken Markern auf einer 5m Papierwand seinem visuellen Handwerk nachgeht, oder die digitale Visualisierung auf dem Tablet bevorzugt, bleibt dir überlassen. Es kann sinnvoll sein, dass du dich auf eins von beiden spezialisierst, damit ein interessierter Kunde weiß, für welche Gelegenheit er dich buchen kann.

Ich denke, beides hat seine Vor- und Nachteile. Hat man z.B. auf dem Tablet die Chance, für „leichte“ Korrekturen, so ist ein Strich mit dem Stift auf Papier unwiderruflich getan. Ein digitale Graphic Recording kann im Nachgang natürlich einfacher weiterverarbeitet werden und das ohne Qualitätsverlust. Dafür entsteht ein inspirierender Geist der Einheit, wenn Zuhörer:innen, Keynotespeaker:in und Graphic Recorder:in vor der bunten Wand stehen und sich über die eingefangenen Elemente unterhalten.

Ein für die Teilnehmer:innen willkommenes Bonbon während einer virtuellen Veranstaltung via Teams, WebEx oder Zoom ist ein Remote Graphic Recording. Ein:e Remote Graphic Recorder:in begleitet die Veranstaltung mit visuellen Notizen z.B. auf dem iPad. Diese können live als Teilnehmerbild eingeblendet oder mit allen im Präsentationsmodus geteilt werden. In jedem Fall wirkt ein Remote Graphic Recording belebend bei virtuellen Meetings, da die Teilnehmer:innen live bei der Entstehung des Bildes dabei sind. Das kann ein echter Motivationstreiber sein, da oft die Konzentration bei virtuellen Meetings/Vorträgen schneller nachlässt, als bei Veranstaltungen vor Ort.

Du hast Feuer gefangen und könntest dir vorstellen, selbst Veranstaltungen visuell zu begleiten? Ein guter Anfang sind Sketchnotes. Wenn das für dich zufriedenstellend schnell funktioniert und du eine gewisse Bild-Bibliothek im Kopf hast, probiere das. Suche nach einem 20-30min Vortrag – das kann ein TEDx-Vortrag oder eine Podcast-Folge sein. Nimm dir ein großes Blatt Papier (z.B. DinA3) und ein paar Marker. Jetzt lass das Video laufen und versuche die Kernaussagen und die wichtigsten Fakten zu erfassen und zu notieren. Am Anfang kannst du immer mal Pause drücken um die Informationen zu Papier zu bringen. Mit der Zeit wirst du schneller und sicherer.

Wenn du für dich selbst sicher geworden bist, hast du vielleicht Lust, Graphic Recording auch einmal live vor anderen auszuprobieren. Deine Passion kannst du bei vielen Gelegenheiten anwenden: Ob als Protokollant:in bei dem nächsten Elternabend in der Schule oder als Schriftführer:in im Verein. Das Beste ist, du schnappst dir einfach im nächsten Workshop den Stift und stellst dich an das Flipchart und graphic recordest mit. Du glaubst nicht, was das alles bewegen kann, wenn plötzlich die gesprochenen Aussagen auf dem Papier visualisiert sind und alle es sehen. Du steigerst damit nicht nur direkt die Kommunikation und die aktive Teilnahme, sondern fast ganz nebenbei übst du das Graphic Recording für dich! Zudem hat das den Vorteil, dass du in einem geschützten und dir vertrauten Rahmen agieren kannst.

Vielleicht bekommst du so bereits auch Anfragen von außerhalb, gegen Bezahlung. Dann kannst du beim Finanzamt eine Steuernummer beantragen, um Rechnung schreiben zu können. So wird aus einer Leidenschaft vielleicht ein Nebenjob.