Beim Visualisieren vereinfachen wir ständig die tatsächliche Welt. Wir setzen einige gekonnte Striche und nutzen ein paar wenige aber prägnante Merkmale, um das gewollte Objekt darzustellen. So wird aus zwei einfachen übereinander liegenden Kugeln, nur durch das Ansetzen von 2 langen Ohren, ein Hase. Eine Mohrrübe währenddessen, macht diese zum Schneemann. Und mit einigen netten Verzierungen versehen, werden es einfach nur zwei übereinander liegende Ostereier. Wir nutzen also bewusst stereotypische Darstellungen bzw. unser Schubladendenken, um Dinge einfach abzubilden.
Stereotypen als Abkürzung
Stereotypen helfen uns, unsere komplexe Welt
begreifbar zu machen. Doch – und genau hier liegt die große Gefahr – wie sieht es aus, wenn wir Menschen nur auf wenige Eigenschaften reduzieren, um sie leichter zu visualisieren? Die Figur mit Kopftuch steht für ein Frau aus dem nahen Osten, die Dreiergruppe bestehend aus Mann, Frau und Kind repräsentiert die Familie und der Rollstuhl symbolisiert Menschen mit Behinderung.
Ist das wirklich ausreichend?
Wo liegt die Grenze der Vereinfachung und welche anderen Möglichkeiten der Visualisierung gibt es noch?
Karikaturen zum Kennenlernen
Dies war das spannende Thema des 7. Vizthink Meetups im Inklusiven Nachbarschaftszentrum in Leipzig. Es war eine tolle und offene Atmosphäre mit engagierten Teilnehmern. Zum Kennenlernen griffen wir alle ganz tief in die Stereotypenkiste und haben in 2er-Gruppen unseren Interviewpartner auf wenige offensichtliche Merkale reduziert, diese hervorgehoben und zu Papier gebracht. Entstanden sind sehr witzige Karikaturen, die für die richtige Grundstimmung gesorgt haben.
Danach ging es weiter mit Menschen. Wie zeichne ich Menschen aus Indien, dem Iran – oder auch Deutschland. Nutze ich die typischen Kopfbedeckungen? Dann lande ich auch schnell beim Deutschen mit Lederhose und Edelweiß am Hut 🙂 Die Gruppe entschied: Es ist immer vom Kontext abhängig. Manchmal ist es auch vollkommen ausreichend, abstrakt zu bleiben und die Nationalität über eine Flagge hervorzuheben.
Direkt nachgefragt
Doch nun ging es in die Vollen. Es war Kreativität gefragt: Wie stellen wir „Migration“, „Vielfalt“ und „Behinderung“ dar? In drei aufeinanderfolgenden Runden visualisierte jeder für sich. Es entstanden eindrucksvolle Ideen, kontroverse Entwürfe und tolle Diskussionen. Und wie so oft kommt vor dem Handeln das Denken. Was heißt der Begriff Migration eigentlich genau? Welchen Aspekt möchte ich genau darstellen? Und erzählt nicht vielleicht eine konkrete Handlung eine viel bessere Geschichte als nur der abstrakte substantivierte Begriff?
Hier ist es wichtig ganz genau zuzuhören und nachzufragen – sogar zu hinterfragen.
Bei der Arbeit mit Gruppen oder während eines Visual Facilitation Auftrags ist dies noch gut realisierbar. Beim Graphic Recording hingegen gibt es keine Möglichkeit, in den Prozess einzugreifen. Hier muss ich als „Visualisierer“ genau auf den Kontext achten, eventuell abstrakter arbeiten oder natürlich auch Wort-Bild-Kombinationen zu Erklärung nutzen.
Vizthink Meetup für neue Perspektiven
Die Diskussion beim Vizthink Meetup ist hier das perfekte Umfeld, um nicht nur die Visualisierung zu üben, sondern einzigartige Menschen mit neuen Standpunkten, Erfahrungswerten und Perspektiven kennenzulernen sowie den eigenen Horizont zu erweitern. Denn die Vorgänge auf der Welt sind vielfältig, unvorhersehbar und zunehmend komplexer. Und das macht es doch so unheimlich spannend. Wir alle haben die gleichen Rechte, aber unterscheiden uns im Menschsein. Es lebe die Vielfalt. Wir freuen uns auf das nächste Treffen mit Euch.
Euer Vizthink Halle/Leipzig-Team
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